Apothekerinnen und Apotheker

Wir befürchten, dass tausende Apotheken den Preiskampf mit Online-Konkurrenten nicht überleben

Alle für Gesundheit Apotheker

von Kea Antes
am 24.11.2019

Arbeiten als Apothekerin: Der Traum von der eigenen Apotheke – für Maria Zoschke, 37 Jahre, ging er 2014 in Erfüllung. Sie eröffnete gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin eine Apotheke im Berliner Stadtteil Lichtenberg. Und diese sollte nicht die einzige bleiben. 2017 übernahmen die beiden eine zweite in Brandenburg. Auch wenn Frau Zoschke den Weg immer wieder gehen würde, so blicke sie – wie viele andere selbstständige Apotheker – mit einem unguten Gefühl auf einen Entscheid des Europäischen Gerichtshofes: Dass ausländische Versandapotheken sich nicht an die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel halten müssen. Während Apotheken in Deutschland also keinen Cent vom vorgegebenen Preis abweichen dürfen, locken ausländische Konkurrenten mit Rabatten bei der Einlösung von Rezepten.

Schon während ihrer Abiturphase wusste Maria Zoschke, dass sie Pharmazie studieren wollte. Ihr lagen Naturwissenschaften sehr, reines Arbeiten im Labor kam für sie jedoch nicht in Frage. Dann kam sie auf den Beruf Apothekerin. Nach dem Abitur machte sie in einer Apotheke in ihrem Wohnort ein Praktikum – der Startschuss für ihre heutige Karriere. 2002 begann sie dann als Pharmaziestudentin an der FU Berlin. Im Studium lernte sie auch ihre heutige Geschäftspartnerin kennen, mit der sie heute zwei Apotheken führt. „Doch bevor es dazu kam, arbeitete ich zunächst einige Jahre angestellt in einer Apotheke, bis ich die Chance bekam, mir die ‚Gegenseite‘ als Apothekerin bei einer Krankenkasse anzusehen“, so Frau Zoschke. „Schlussendlich zog es mich aber in die Apotheke zurück.“ 2014 eröffnete sie zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin die erste eigene Apotheke im Berliner Stadtteil Lichtenberg, 2017 kam dann die zweite in Brandenburg hinzu, in der sie mittlerweile überwiegend arbeitet.

Beratung als wichtiger Teil der Arbeit

„In unseren Apotheken beginnen wir jeden Tag mit einem sogenannten 5-vor-Meeting“, berichtet Zoschke. „Jeder im Team sagt kurz, welche Vorgänge er an dem Tag zu bearbeiten hat und wir besprechen, welche Aufgaben wann und wie bearbeitet werden können.“ Dann öffnen sie die Apotheke für die Kunden. Im Vordergrund ihrer Tätigkeit steht die Beratung rund um Arzneimittel und Gesundheit. „Viele unserer Kunden haben Fragen zu ihren verordneten Medikamenten und wollen zum Beispiel wissen, ob es Wechselwirkungen zu anderen Mitteln gibt die sie einnehmen, oder wie ihre Arzneimittel anzuwenden sind“, sagt die Apothekerin. „So erklären wir beispielsweise die Handhabung von Inhalatoren, die bei Asthma eingesetzt werden, oder von Blutzuckermessgeräten.“

Mehrmals täglich bekommt die Apotheke Lieferungen vom Großhandel, so dass Patienten Medikamente oft noch am selben Tag erhalten – auch dann, wenn sie morgens noch gar nicht in der Apotheke vorrätig waren. „Diese Bestellungen kontrollieren wir ausführlich, sobald sie bei uns eintreffen. Wir ordnen die Arzneimittel den Patienten zu, sodass wir sie schnell finden, wenn der Patient zur Abholung in die Apotheke kommt.“

Viele Kunden kämen aber auch ohne Rezept und benötigen die Unterstützung der Apothekerinnen, unter anderem bei Erkältungen, Kopfschmerzen, Allergien, Rückenschmerzen oder auch nach der Geburt ihres Kindes. „In diesen Fällen finden wir die optimalen Produkte und geben wertvolle Tipps und Tricks.“

Rezepturen selbst herstellen

Nahezu täglich stellt Frau Zoschke zudem individuelle Arzneimittel für ihre Kunden her. Vor allem Hautärzte verordnen Cremes oder Salben, die auf die jeweiligen Hautbedürfnisse der Patienten angepasst sind. „Wir haben auch schon Säfte oder Kapseln für Säuglinge und Kinder hergestellt, weil es die benötigten Medikamente nicht in der Dosierung gibt, die für die Kleinsten geeignet sind“, ergänzt die Apothekerin. „Doch mit der Herstellung alleine ist es nicht getan. Ich prüfe vorab, ob alle Rezepturbestandteile, die verordnet wurden, zusammenpassen. Sollte es Stabilitätsprobleme geben, mache ich dem Arzt einen Vorschlag, wie die Rezeptur im Sinne des Patienten verbessert werden kann. Ich dokumentiere die Herstellung zudem genau, damit ich weiß, welche Mengen ich von welchen Stoffen verwendet habe.“ Erst, nachdem die Rezeptur von einer Kollegin kontrolliert wurde, wird sie freigegeben und an den Patienten ausgegeben.

„Wir sind aber nicht nur Arzneimittelexperten“, sagt Zoschke. „Wir versorgen unsere Kunden auch mit sogenannten Hilfsmitteln, also beispielsweise Blutdruckmessgeräten, Milchpumpen oder Inkontinenzprodukten.“ Fast täglich beantrage sie die Kostenübernahme für entsprechende Produkte bei den Krankenkassen.

Doppelte Absicherung

Gegen Ende des Tages kontrolliert das Apotheken-Team dann die Rezepte des Tages. Hier wird noch einmal überprüft, ob bei der Abgabe der verordneten Arzneimittel alle rechtlichen Vorgaben erfüllt wurden. „So schließen wir aus, dass sich Fehler bei der Bearbeitung eingeschlichen haben oder die Rezepte nicht richtig ausgestellt sind“, ergänzt die Apothekerin. Denn dann bekämen sie von der jeweiligen Krankenkasse die Kosten für das abgegebene Medikament nicht erstattet. Ganz zum Schluss bereitet das Team dann noch dringende Fälle für den nächsten Tag vor.

Manchmal fast wie ein Familienmitglied

Neben vielen Kunden, die sie nur ein einziges Mal im Leben bedient, gibt es auch jene, die regelmäßig zu ihr in die Apotheke kommen. „Wir betreuen seit Jahren eine jugendliche Diabetikerin, die seit ihrer Geburt Diabetes hat. Vor kurzem brachte sie uns einen selbstgebackenen Kuchen vorbei“, erzählt die Apothekerin. „Wir haben uns natürlich riesig darüber gefreut.“ In solchen Momenten werde ihr bewusst, dass man bei manchen Patienten schon fast zur Familie gehört. „Auch ein älterer Herr, der seine Frau zu Hause pflegt, kommt regelmäßig zu uns. Meistens löst er gar keine Rezepte ein und kauft auch sonst nichts. Er kommt einfach nur zum Reden. Oft sagt er dann, dass er es nicht mehr lange schaffen wird. Er braucht Zuspruch und Verständnis und menschliche Nähe und Wärme. Auch das leistet eine Apotheke vor Ort.“

Positive Rückmeldung erhalte die Apothekerin jedoch nicht nur von Kunden und Patienten. „Viele Ärzte haben inzwischen erkannt, dass Apotheker sie in der Ausübung ihres Berufs unterstützen und freuen sich über jeden Tipp oder jede Rücksprache. Das war nicht immer so. Gemeinsam können wir die Therapie der Patienten verbessern.“ Die Mediziner, die Apotheker als störend empfinden, seien absolut in der Minderheit.

Fehler bedeuten Rechnungskürzungen

Doch neben all den positiven Aspekten gibt es auch jene, die ihr den Berufsalltag erschweren. „Leider sehen wir uns immer häufiger mit Lieferengpässen konfrontiert, das heißt, dass bestimmte Wirkstoffe für Apotheken in ganz Deutschland überhaupt nicht bestellbar sind“, erklärt Frau Zoschke. „Dann müssen wir mit dem Arzt klären, welcher Wirkstoff dem Patienten als Alternative helfen könnte. Wir versuchen für unsere Kunden schnelle und unkomplizierte Lösungen zu finden. Dabei wäre es schön, wenn die Kontaktmöglichkeiten zu den Ärzten besser wären.“

Auch die Zusammenarbeit mit Krankenkassen kann mitunter zu einem belastenden Faktor im Alltag werden. „Wir gehen in Vorkasse, wenn wir Arzneimittel kaufen. Bekommt ein Patient zu Beginn eines Monats sein Arzneimittel, dauert es sechs Wochen, bis die Krankenkassen das Geld bezahlen.“ Ein weiterer Aspekt, den Apothekeninhaber immer auf dem Schirm haben müssen, sind mögliche Retaxationen, also Rechnungskürzungen durch die Krankenkassen. „Sie können bei Verstößen gegen vertragliche Regelungen die Bezahlung der abgegebenen Arzneimittel verweigern. Leider gibt es so vielfältige Regelungen, dass es immer mal wieder vorkommt, dass etwas übersehen wird. Kostet ein Arzneimittel dann mehrere tausend Euro, ist es besonders schlimm, wenn die Rechnung auf null gekürzt wird“, berichtet Frau Zoschke.

Harter Preiskampf mit Online-Apotheken

Ein weiteres sehr wichtiges Thema, das insbesondere Inhaber von Apotheken aktuell beschäftige, sei die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. „Die Unsicherheit unter den Apothekern in Deutschland ist groß. Denn vom Europäischen Gerichtshof wurde kürzlich entschieden, dass die Preisbindung für ausländische Versandapotheken nicht gilt. Diese dürfen Rabatte bei der Einlösung von Rezept gewähren, während die Apotheken in Deutschland keinen Cent vom vorgegebenen Preis abweichen dürfen. Letztlich bedeutet das, den Arzneimittelmarkt zugunsten internationaler Großkonzerne zu liberalisieren. Wir befürchten, dass tausende Apotheken den Preiskampf mit Online-Konkurrenten nicht überleben.“ Die Apothekendichte würde auf ein bedrohliches Maß heruntergefahren, was am Ende zulasten der Patienten gehe.

„Nur die vor-Ort-Apotheken können die vom Gesetzgeber übertragenen Gemeinwohlpflichten erfüllen und sind damit ein unentbehrlicher Teil und Grundpfeiler des deutschen Gesundheitswesens“, ergänzt die Apothekerin. „Und noch etwas: Apothekeninhaber haften mit ihrem Privatvermögen. Das dient nicht zuletzt der Qualität und Unabhängigkeit der Beratung, macht uns aber gerade durch die internationalen Großkonzerne angreifbar. Leider gibt es in der EU zudem Bestrebungen, die Freien Berufe, die in Deutschland eine lange Tradition haben und zu denen auch der Beruf des Apothekers zählt, abzuschaffen. Auch aus diesem Grund sehen wir die Struktur des besten Gesundheitssystems der Welt in Gefahr“, ergänzt Frau Zoschke.

Fazit von Frau Zoschke:

„Ich bin grundsätzlich mit meinem Beruf zufrieden. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich helfen kann und unsere Patienten glücklich und zufrieden unsere Apotheken verlassen. Die Zusammenarbeit, Akzeptanz und der Zusammenhalt zwischen Ärzten und Apothekern muss aber unbedingt besser werden, es geht schließlich um die Gesundheit unserer Patienten. Und die Politik sollte gerade in Richtung der EU deutlicher vertreten, dass sie Wert auf das deutsche Gesundheitssystem legt und dafür auf die vor-Ort-Apotheken in keinem Fall verzichten kann. Damit würden alle freien Berufe und somit nicht zuletzt der Mittelstand gestärkt werden.“

 

Stand 11/2019

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