Ergotherapeut/in

Ergotherpeuten in Deutschland

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Die Ergotherapie gehört vermutlich zu jenen Berufsgruppen, von denen die meisten Menschen schon einmal gehört haben – auch wenn kaum jemand genau weiß, was sie eigentlich tun. Tatsächlich ist es nicht leicht, die Tätigkeit von Ergotherapeuten in einem Satz zu beschreiben. Im Gespräch mit dem Deutschen Verband für Ergotherapie (DVE) versuchen wir, die wichtigsten Fragen rund um den Beruf zu beantworten.

Ergotherapie in der Nussschale

  • Es gibt ca. 59.000 Ergotherapeuten in Deutschland.
  • 29.000 arbeiten in Ergotherapie-Praxen, der Rest zum größten Teil in stationären Einrichtungen wie Kliniken, Altenheime, Werkstätten für Menschen mit Behinderung.
  • Der Frauenanteil liegt bei 86 Prozent.
  • Ausbildung: drei Jahre Berufsfachschule, in der Regel schulgeldpflichtig; im Rahmen von Modellversuchen ist auch eine Ausbildung an Hochschulen möglich
  • 1953 gab es in Hannover den ersten Lehrgang für Beschäftigungstherapie in Deutschland.
  • Offiziell gibt es die Ergotherapie in Deutschland seit 1977 – damals fasste ein neues Gesetz die Bereiche der Arbeits- und Beschäftigungstherapie zu der neuen Berufsgruppe zusammen.

Fragen zur Ergotherapie

Was machen Ergotherapeuten eigentlich?
Aus dem Altgriechischen übersetzt bedeutet Ergotherapie Arbeitstherapie – streng genommen Arbeitsbehandlung, da therapeia ebenfalls ein griechisches Wort ist. Heute geht es bei der Therapie aber nicht mehr nur um das Arbeiten. Ergotherapeuten helfen Menschen bei konkreten Tätigkeiten, am Arbeitsplatz, aber auch im Privatleben.

Sie unterstützen und begleiten „Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind“, heißt es auf der Website des Deutschen Verbands für Ergotherapie. Das können Kinder sein, die mit einer Behinderung geboren wurden oder eine Entwicklungsverzögerung haben und sich motorische Fähigkeiten wie Fahrradfahren oder Schuhe binden nur langsam aneignen. Berufstätige im mittleren Alter, die nach einem Arbeitsunfall neu lernen müssen, ihre Hände und ihr Arbeitsgerät zu benutzen oder deren Arbeitsplatz angepasst werden muss. Ältere Menschen mit Demenz, die im Alltag möglichst gut alleine zurechtkommen wollen.

Um diese Dinge zu erreichen, wenden die Therapeuten laut DVE „spezifische Aktivitäten, Umweltanpassung und Beratung“ an. Sie üben also bestimmte Bewegungen und konkrete Tätigkeiten wie Schreiben und Malen bei Kindern oder das Einkaufen und Kochen bei Erwachsenen. Sie geben den Patienten Ratschläge, wie sie sich im Alltag verhalten können. Und sie überlegen, wie sich die Umwelt – das Zuhause, der Arbeitsplatz, Familie, Freunde und Kollegen – an die Bedürfnisse ihrer Patienten anpassen lässt.

Wo arbeiten Ergotherapeuten?
Hier unterscheidet man klassischerweise zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich. Therapeuten, die ambulant arbeiten, sind in ergotherapeutischen Praxen tätig. Sie teilen sich auf in niedergelassene Praxisinhaber, die wie niedergelassene Ärzte Freiberufler sind, und deren angestellte Ergotherapeuten.

Im stationären und teilstationären Bereich behandeln Ergotherapeuten meist als Angestellte bestimmter Einrichtungen ihre Patienten. Sie arbeiten typischerweise in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und Rehakliniken mit Abteilungen für Ergotherapie und Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Einige führen zum Beispiel auch Arbeitstherapie im Rahmen des Jobcoachings durch.

Ein Teil sucht sich aber auch ganz andere Tätigkeitsfelder. Zum Beispiel sind Arnd Longrée, Vorsitzender des DVE, zufolge Ergotherapeuten bei großen Automobilherstellern in der Präventions- und Gesundheitsförderung tätig oder an Regelschulen im Rahmen der inklusiven Beschulung.

 

Wie viele Ergotherapeuten gibt es?
Wie viele Ergotherapeuten es in Deutschland gibt, kann der Berufsverband DVE heute relativ genau benennen – dank der aktuellen Arbeitsmarktstatistik des Statistischen Bundesamts. „Wir haben rund 59.000 Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten“, berichtet Longrée. Davon arbeiteten rund 29.000 in ambulanten und 21.000 in stationären/teilstätionären Einrichtungen. 10.000 fallen unter „sonstige“ – Longrée vermutet die meisten davon im stationären Bereich, sodass die Ergotherapeuten ungefähr je zur Hälfte ambulant und stationär arbeiten.

Die 59.000 Beschäftigten teilen sich außerdem auf 42.000 volle Stellen auf. Es gibt also relativ viele Teilzeit-Therapeuten. Ergotherapie ist auch nach wie vor ein klassischer Frauenberuf, mit einem Frauenanteil von 86 Prozent. „In Verbindung mit den leider eher niedrigen Löhnen führt das dazu, dass die Ergotherapeutinnen oft in Partnerschaften die Kindererziehung übernehmen und danach eher in Teilzeit wieder einsteigen“, erklärt Longrée.

Wie werden Ergotherapeuten ausgebildet?
Der weitaus größte Teil der Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten in Deutschland wird an Berufsfachschulen ausgebildet. „Die dreijährige Ausbildung findet zu etwa 85 bis 90 Prozent an privaten Schulen statt – und ist damit für die Schüler kostenpflichtig“, so Arnd Longrée. Die Kosten lägen bei monatlich ungefähr 300 bis 500 Euro und teilweise noch höher.

Die Ausbildung gliedert sich in zwei Teile, die in der Regel aber nicht hintereinander stattfinden, sondern ineinander verzahnt sind:

Zwei Drittel bestehen aus theoretischem und praktischem Unterricht. „Inhalt sind medizinische Grundlagen, ergotherapeutische Behandlungsverfahren, sozialwissenschaftliche, pädagogische und psychologische Inhalte“, sagt Longrée.
Ein Drittel der Zeit, meist im Laufe der zweiten Hälfte der Ausbildung, verbringen Auszubildende in der praktischen Ausbildung in meist vier verschiedenen Einrichtungen. Dabei leiten die dort tätigen Ergotherapeuten sie an.

Kann ich Ergotherapie auch studieren?
Zwar gibt es Studiengänge, doch die Ausbildung von Ergotherapeuten an Hochschulen steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. „Der Anteil von Ergotherapeuten, die ihre Ausbildung an einer Hochschule absolvieren liegt bei circa vier Prozent“, berichtet Longrée. Die meisten Bachelor-Absolventen in der Ergotherapie hätten heute ihren Studienabschluss aber erst nach einer Ausbildung an der Berufsfachschule erworben. Für grundständige Studiengänge, die also die Ausbildung ersetzen, gibt es derzeit nur Modellversuche, die bis Ende 2021 angesetzt sind.

„Wir glauben auch nicht, dass in nächster Zeit Studiengänge im großen Stil hinzukommen, was wir eigentlich für dringend überfällig halten“, so Longrée. Langfristig fordert der DVE eine Vollakademisierung, sprich: In Zukunft sollen alle neuen Ergotherapeuten über ein Studium in den Beruf kommen. „Das wird aber eine gewisse Zeit und eine lange Übergangsphase brauchen“, so der DVE-Vorsitzende.

Wie viel verdienen Ergotherapeuten
Verlässliche Zahlen zum Einkommen der Ergotherapeutinnen zu erhalten, ist schwierig. Eines lasse sich Arnd Longrée zufolge sicher sagen: Es ist nicht besonders hoch.

…in stationären Einrichtungen?

Für Ergotherapeutinnen, die in stationären Einrichtungen arbeiten, die der öffentlichen Hand gehören, gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Unter den Ergotherapeutinnen verdienen also die Angestellten zum Beispiel öffentlicher Krankenhäuser am besten. „Hier gibt es Einstiegsgehälter von immerhin 2.200 bis 2.400 Euro brutto“, berichtet Longrée.

Doch der TVöD gilt für immer weniger Therapeuten. Eine wachsende Zahl von Kliniken und anderen Einrichtungen wechselt in die Hand privater Träger, die nicht an den Tarifvertrag gebunden sind und häufig wesentlich weniger zahlen.

…in niedergelassenen Praxen?

Im niedergelassenen Bereich liegen die Gehälter in der Regel unterhalb des TVöDs. Hier können Praxisinhaber und ihre Mitarbeiter die Gehälter frei verhandeln. Sie sind allerdings vor allem davon abhängig, wie viel die Krankenkassen für Behandlungen zahlen – davon hängt der Umsatz der Praxen maßgeblich ab. Insgesamt seien die Löhne ambulanter Ergotherapeutinnen Longrée zufolge in den letzten Jahren kaum gestiegen.

Das lag vor allem daran, dass die Vergütung durch die Kassen bislang höchstens so stark steigen durfte wie die sogenannte Grundlohnsumme. Das ist die Rate, um die die Einnahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr wachsen.

Das im Februar 2017 verabschiedete Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) lässt diese Einschränkung ab März 2017 zunächst für drei Jahre probehalber entfallen. In dieser Zeit können die Berufsverbände der Therapeuten dann freier mit den Krankenkassen über ihre Bezahlung verhandeln.

Gibt es genug Ergotherapeuten in Deutschland?
Die Bundesagentur für Arbeit meldete für die Ergotherapie zuletzt einen „Fachkräfteengpass“, die Vorstufe zum Fachkräftemangel. In den Augen des DVE besteht aber schon längst ein Mangel – der komme nur in den Statistiken der Arbeitsagentur nicht an, weil viele Ergotherapie-Praxen ihre freien Stellen nicht meldeten.

„Immer wieder bekommen Praxisinhaber kurzfristig Kündigungen und können die Stellen nicht nachbesetzen“, erzählt Longrée. Der DVE merke das in den Gesprächen mit seinen Mitgliedern über die Telefon-Hotline des Verbands: Jedes zweite Gespräch drehe sich darum, wo Praxischefs neue Leute herbekommen könnten. Auch in den stationären Einrichtungen und sogar an Kliniken der Berufsgenossenschaften, an denen die Arbeitsbedingungen meist sehr gut seien, ließen sich die Stellen nicht ohne weiteres besetzen.

Wie steht es um den Nachwuchs?
Den Ergotherapie-Schulen fehlen die Schülerinnen und Schüler. „2004 hatten wir noch 15.000 Schülerinnen und jährlich fast 5.000 neue Therapeuten auf dem Arbeitsmarkt – 2015 waren es nur noch 10.000 Schülerinnen und 3.000 jährliche Abschlüsse“, so Longrée. Wenn es aufgrund des demografischen Wandels bald weniger 18-jährige gibt, werden diese Zahlen vermutlich noch einmal zurückgehen.

Problematisch sei dies besonders, weil die alternde Gesellschaft auch immer mehr Ergotherapie benötigt. Longrées dunkle Vorahnung: „Wir sind uns nicht sicher, ob wir in Zukunft die Versorgung mit Ergotherapie aufrechterhalten können.“

Wer vertritt die Interessen der Ergotherapeuten?
Der DVE ist die ergotherapeutische Interessenvertretung mit den deutlich meisten Mitgliedern, ca. 12.000. Etwa ein Fünftel aller Ergotherapeuten gehört damit dem Verband an. Der DVE wiederum ist Mitglied im Spitzenverband der Heilmittelerbringer (SHV), dem neben ihm drei Physiotherapie-Verbände angehören. Die zweite größere Interessenvertretung der Ergotherapeuten ist der Berufsverband für Ergotherapeuten (BED) mit circa 5.000 Mitgliedern (Quelle: up|unternehmen praxis 9-2014).

Arnd Longrée berichtet von der Arbeit von DVE und SHV: „Wir sind mit in die Gesetzgebungsverfahren einbezogen und werden zum Beispiel zu Anhörungen im Bundestag eingeladen. Wir verhandeln die Honorare für den niedergelassenen Bereich mit Krankenkassen und Kostenträgern. Wir sind anhörungsberechtigt im Gemeinsamen Bundesausschuss, dem Selbstorganisations-Gremium des Gesundheitswesens.“

Einfluss auf die Politik gebe es außerdem im direkten Kontakt zwischen den Verbänden und Politikern sowie Ministerien. „Wir finden, dass wir da als zuverlässige Ansprechpartner gelten für Politik und Selbstverwaltung“, so Longrée.

Wie möchten Ergotherapeuten ihren Beruf wieder attraktiver machen?
Vor allem Schulgeld und niedrige Löhne sorgen dafür, dass immer weniger junge Menschen sich dafür entscheiden, Ergotherapeutinnen zu werden. Der DVE möchte diesem Missstand vor allem mit zwei Forderungen begegnen:

„Das Schulgeld muss weg!“, fordert Longrée. Die Finanzierung der Ausbildung gehöre stattdessen in die öffentliche Hand.
In den nächsten drei Jahren müsse sich auch die Vergütung der Niedergelassenen verbessern, sodass die Praxen zumindest mit dem stationären Bereich vergleichbare Gehälter zahlen können.

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