Orthoptistinnen: Details zum Beruf
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Wir haben uns den Beruf einmal genauer angeschaut: von den Aufgabengebieten über die Ausbildung bis hin zur Frage, wie viel Orthoptistinnen eigentlich verdienen.
Was machen Orthoptistinnen?
Ein großer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist das Diagnostizieren und Therapieren von Erkrankungen und Störungen, die das ein- und beidäugige Sehen betreffen. Dazu zählen beispielsweise das frühkindliche bzw. erworbene Schielen, Augenbewegungsstörungen und Augenzittern. Auch Beschwerden wie Schwindel und Kopfschmerzen können auf Veränderungen an den Augen zurückzuführen sein, beispielsweise wenn ein verstecktes Schielen vorliegt. All diese Störungen diagnostizieren Orthoptistinnen mithilfe unterschiedlicher Untersuchungen. Weitere Gebiete sind die Prävention dieser Erkrankungen und Störungen sowie die Rehabilitation bei Störungen durch Hirnschädigungen und die Anpassung vergrößernder Sehhilfen (Low Vision).
Hier einige konkrete Beispiele:
- Im rehabilitativen Bereich betreuen Orthoptistinnen Patienten mit angeborenen oder erworbenen Hirnschädigungen und Menschen mit Sehbehinderung. Sie versorgen die Patienten mit Lupenbrillen oder anderen vergrößernden Sehhilfen und unterstützen sie dabei, das bestehende Rest-Sehvermögen optimal einzusetzen. Patienten, die eine Hirnschädigung wie z. B. einen Schlaganfall oder eine Blutung im Gehirn hatten und dadurch Sehprobleme haben, werden von Orthoptistinnen ebenfalls unterstützt. Beispielsweise helfen sie den Patienten zu lernen, wie sie die Störung kompensieren können.
- Leiden Kinder unter angeborenem Schielen, beginnen Orthoptistinnen meist schon in einem sehr frühen Alter mit der Therapie. Denn das frühkindliche Schielen kann die Entwicklung des Sehens beeinträchtigen. Die Therapie besteht zum einen aus einer optimalen Sehhilfe und zum anderen aus einer Abklebetherapie (Okklusion). Anhand der Schwere der Sehschwäche bestimmen Orthoptistinnen, wie viele Stunden pro Tag das Kind das gesunde (nicht schielende) Auge mit einem Pflaster abkleben muss. So ist das Gehirn gezwungen, den Seheindruck des schielenden Auges aktiv zu verarbeiten. Bei erfolgreicher Therapie bildet sich die Sehschwäche des schielenden Auges komplett zurück und beide Augen sehen gleich gut. Auch das Schielen ist dann nicht mehr einseitig, sondern abwechselnd – ein Zeichen für die Gleichwertigkeit der beiden Augen. Jedes Auge wird teilweise zum aktiven Fixieren genutzt und steht teilweise in der Schielstellung. In manchen Fällen wird durch die Verbesserung der Sehschärfe das Schielen kleiner, sodass im besten Fall keine Behandlung des Schielens selbst mehr nötig ist.
- Haben Kinder visuelle Wahrnehmungsstörungen, Lern- oder Entwicklungsstörungen, können spezielle Sehhilfen dabei unterstützen, mit diesen Störungen besser zurecht zu kommen. Orthoptistinnen können diese Sehhilfen optimal anpassen.
- Schielen kann aber auch erworben sein. Das ist insbesondere bei Erwachsenen der Fall, bei denen die Störung oft auch zum Wahrnehmen von Doppelbildern führt. Hier prüfen Orthoptistinnen, wie sie den Patienten den Alltag erleichtern können – etwa durch den Einsatz von mattierten Folien oder speziellen Brillengläsern mit Prismen. Zudem haben Orthoptistinnen das nötige Hintergrundwissen, um feststellen zu können, um welche Art des Schielens bzw. um welche Form der erworbenen Augenbewegungsstörung es sich handelt und welche Ursachen in Frage kommen. Das erleichtert den Ärzten die Suche nach der Ursache und die weitere Behandlung kann zeitnah erfolgen.
- Viele Augenärzte übertragen den Orthoptistinnen zudem das Anpassen der Brille in der Praxis.
Wo sind Orthoptistinnen tätig?
Die meisten Orthoptistinnen arbeiten in Augenarztpraxen und -kliniken. Vermehrt stellen zudem neurologische Kliniken, Reha- sowie Blindeneinrichtungen Orthoptistinnen ein.
Wie viele Orthoptistinnen gibt es in Deutschland?
Aktuell sind laut des Berufsverbands Orthoptik e.V. (BOD) rund 2.600 Orthoptistinnen in Deutschland tätig.
Wie viel verdienen Orthoptistinnen?
Wie hoch das Gehalt ausfällt, hängt unter anderem von der Berufserfahrung ab und davon, ob Orthoptistinnen in einer Augenarztpraxis oder Klinik arbeiten. In Augenarztpraxen fällt das Gehalt meist etwas höher aus, da diese nicht an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebunden sind.
Ganz grob lässt sich sagen, dass eine angestellte Orthoptistin in Vollzeit zwischen 2.800 und 4.000 Euro brutto verdient.
Die Ausbildung
Wie werde ich Orthoptistin?
Es gibt insgesamt 2 private und 12 staatliche Berufsfachschulen für Orthoptik in Deutschland, an denen der Beruf erlernt werden kann. Diese sind alle an Universitätsaugenkliniken angegliedert. Die Ausbildung dauert drei Jahre und umfasst theoretische und praktische Anteile. Voraussetzung ist ein Realschulabschluss, eine andere gleichwertige Ausbildung oder eine nach Hauptschulabschluss abgeschlossene mindestens zweijährige Berufsausbildung.
Die theoretische Ausbildung umfasst unter anderem folgende Bereiche:
- Orthoptik, Strabologie (Schwerpunkt Schielen), Augenbewegungsstörungen und Neuroophthalmologie (Augenheilkunde an der Schnittstelle zur Neurologie)
- Anatomie und Physiologie (insbesondere des Gehirns)
- Allgemeine Augenheilkunde
- Allgemeine Krankheitslehre und Kinderheilkunde
- Gesetzeskunde
- Arzneimittelkunde
Die Ausbildung erfolgt anhand der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Orthoptistinnen und Orthoptisten (OrthoptAPrV) und endet mit einer staatlichen Prüfung (schriftlich, mündlich und praktisch).
Die praktische Ausbildung findet direkt in den Augenkliniken statt. Alle verfügen über eine orthoptische oder strabologische Abteilung (Schwerpunkt Schielen). Die Auszubildenden untersuchen je nach Ausbildungsstand zunehmend selbstständig die Patienten. Eine Lehrorthoptistin steht ihnen immer zur Seite.
Grundlage für die Ausübung des Berufs ist das „Gesetz über den Beruf der Orthoptistin und des Orthoptisten (OrthoptG)“
Wer finanziert die Ausbildung?
Bis auf in Bayern sind alle Orthoptik Berufsfachschulen in Deutschland staatlich geführt. An diesen fällt kein Schulgeld an. Zum Schuljahr 2019/2020 führt auch Bayern voraussichtlich die Schulgeldfreiheit für Gesundheitsfachberufe ein.
Ausbildungsgehalt
Wer die Ausbildung zur Orthoptistin an einer staatlichen Fachschule absolviert, bekommt seit 2019 ein Ausbildungsgehalt. Dieses ist im Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) beziehungsweise dem Tarifvertrag für Auszubildende der Länder (TVAL) geregelt.
- Im ersten Ausbildungsjahr beläuft sich das Ausbildungsgehalt auf rund 965 Euro brutto im Monat,
- im zweiten Ausbildungsjahr auf 1.025 Euro brutto
- und im dritten Ausbildungsjahr auf 1.122 Euro brutto.
Für die privaten Orthoptikschulen gilt der Tarifabschluss nicht. Es wird hier aktuell über andere Möglichkeiten einer Ausbildungsvergütung diskutiert.
Unter bestimmten Voraussetzungen können Auszubildende finanzielle Unterstützung in Form des „Schüler-BAföG“ nach Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhalten. Dieses muss nicht zurückgezahlt werden.
Kann ich auch ein Studium in dem Bereich absolvieren?
Aktuell ist es nicht möglich, in Deutschland Orthoptik zu studieren. Der Berufsverband Orthoptik Deutschland e. V. führt jedoch Gespräche mit verschiedenen Hochschulen bezüglich der Einführung eines additiven Studiengangs, der im Anschluss an die dreijährige Schulausbildung absolviert werden kann. Ein grundständiges, sog. primärqualifizierendes Studium ist aktuell nicht möglich, da dafür das Berufsgesetz „Gesetz über den Beruf der Orthoptistin und des Orthoptisten“ (OrthoptG) geändert werden müsste. Darin heißt es, dass die Ausbildung an einer Berufsfachschule stattfinden muss, damit Absolventen die Berufsbezeichnung Orthoptistin tragen dürfen.
Wer vertritt die Interessen der Berufsgruppe?
Der Berufsverband Orthoptik Deutschland e. V. ist die einzige berufsständische Vertretung der Orthoptistinnen in Deutschland. Er wurde 1971 gegründet und trug bis 2016 den Namen Berufsverband der Orthoptistinnen Deutschlands e.V.. Aktuell hat der Verband zwischen 1.200 und 1.300 Mitglieder – das entspricht etwa der Hälfte aller in Deutschland tätigen Orthoptistinnen.
Der Verband vertritt die beruflichen Interessen der Orthoptistinnen gegenüber der Politik und sorgt mit seiner Arbeit dafür, den Berufsstand fit für die Zukunft zu machen. Der BOD stellt seinen Mitgliedern zudem ein großes Spektrum an Leistungen, Informationsmaterial und Vergünstigungen zur Verfügung.
* Da überwiegend Frauen den Beruf ausüben, spricht man im beruflichen Alltag und in der Literatur in der Regel von Orthoptistinnen.
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