Wie wichtig Vor-Ort-Apotheken sind, merkt man erst, wenn sie fehlen.
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Mathias Arnold Vizepräsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
Ein Engpassberuf – so stuft die Bundesagentur für Arbeit mittlerweile den Beruf Apotheker ein. Die Arbeitslosenquote liegt gerade einmal bei 1,7 Prozent. „Es fehlt einfach an Nachwuchs, Apotheker werden dringend gesucht. Wird in einer Apotheke eine offene Stelle ausgeschrieben, kann diese durchschnittlich erst nach 139 Tagen besetzt werden“, weiß Mathias Arnold, Vizepräsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. „Für diesen Engpass gibt es verschiedene Gründe. Einerseits steigt die Nachfrage nach Apothekern, zum Beispiel in der pharmazeutischen Industrie oder in Krankenhäusern. Andererseits wollen Absolventen heute lieber Teilzeit arbeiten als Vollzeit, Stichwort Work-Life-Balance. Beim Einsatz von Teilzeitkräften brauchen vor allem die Apotheken, die lange Öffnungszeiten haben, jedoch entsprechend mehr ‚Köpfe‘.“
Doch der Engpass bedeute im Umkehrschluss für alle Apotheker und jene, die bald in das Berufsleben starten, auch, dass man aktuell in Deutschland in allen Regionen gut einen Job finden kann.
Wichtige Ansprechpartner vor Ort
Eine flächendeckende Versorgung an Apotheken in Deutschland – das könnte sich bald ändern, wenn die Politik nicht gegensteuert. „Es gibt seit Monaten Diskussionen um eine große Apothekenreform“, sagt Arnold. „Deren Ziel ist es, die Vor-Ort-Apotheken zu stärken.“ Wie wichtig diese Apotheken sind, merke man erst, wenn sie fehlen. Insbesondere immobile und ältere Menschen oder Familien mit kleinen Kindern seien auf die ortsnahe Versorgung angewiesen. Aber auch jeder andere sei im akuten Krankheitsfall froh, nicht kilometerweit zur nächsten Apotheke fahren zu müssen.
Im Zuge dieser Debatte weist Herr Arnold zudem auf die Wichtigkeit des persönlichen Kontakts hin, die nur bei Vor-Ort-Apotheken gegeben ist. „Viele Patienten möchten in der Apotheke beraten werden und eine Lösung für ihr Problem bekommen.“ Eine Versand-Apotheke werde dem nicht gerecht.
Preisliche Ungleichheit gefährdet Vor-Ort-Apotheken
Um die Vor-Ort-Apotheken zu stärken, setzt sich die ABDA primär für die Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein. „Um das kurz zu erklären: Die Preise für rezeptfreie Arzneimittel, zum Beispiel gegen Erkältungen, sind von Apotheke zu Apotheke unterschiedlich. Aber verschreibungspflichtige Arzneimittel, für die der Arzt also ein Rezept ausstellen muss, haben in jeder deutschen Apotheke den gleichen Preis. Der Sinn dahinter ist, dass man kranken Menschen ersparen will, Preise vergleichen zu müssen. Und gesetzlich versicherte Patienten bezahlen auch nicht den kompletten Preis, sondern nur eine Zuzahlung von höchstens zehn Euro“, so der Vizepräsident der ABDA. „Aber seit Oktober 2016 gilt dieser einheitliche Preis nicht mehr für ausländische Versandapotheken. Diese dürfen ihren Kunden einen Rabatt auf die Zuzahlung gewähren. Diese Ungleichheit gefährdet die deutschen Vor-Ort-Apotheken.“
Forderungen, um Lieferengpässe zu vermeiden
Ein weiteres aktuell sehr belastendes Thema für die Apotheken hierzulande sind die Lieferschwierigkeiten bei Arzneimitteln. „Für etwa 91 Prozent der selbständigen Apotheker gehören Lieferengpässe zu den größten Ärgernissen im Berufsalltag“, weiß Arnold. „Diese bedeuten nicht nur für Apotheker erheblichen personellen und finanziellen Mehraufwand, sondern betreffen auch die Patienten. Ist ein Präparat nicht lieferbar, müssen Apotheker in der Regel Rücksprache mit dem Arzt halten, welches Ausweichpräparat in Frage kommt. Das kostet Zeit und bedeutet für Patienten oft doppelte Wege – nämlich dann, wenn auch dieses Präparat erst bestellt werden muss.“
„Es gibt Stellschrauben, an denen gedreht werden kann – und muss. Unsere Forderungen an die Politik lauten ganz konkret: Hersteller müssen Engpässe schneller bekannt geben und sämtliche Akteure in ein zentrales Informationssystem eingebunden werden. Außerdem muss es ermöglicht werden, dass Krankenkassen Rabattverträge mit mehreren Herstellern abschließen können und dass Apotheken nicht verfügbare Medikamente leichter gegen wirkstoffgleiche und verfügbare austauschen können. Zudem sollten Exporte versorgungsrelevanter Fertigarzneimittel, bei denen Knappheit herrscht oder zumindest droht, gesetzlich untersagt werden. Ein weiterer Punkt: Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, damit die Wirkstoffproduktion wieder stärker in Europa stattfindet und entsprechende Qualitätsstandards eingehalten werden.“
Schnelle Umsetzung des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzs gefordert
Am 21.10.2019 wurde der erste Teil des Apotheken-Stärkungsgesetz umgesetzt. In der vom Bundeskabinett veröffentlichten Verordnung sind folgende Punkte geregelt: Botendienste der Apotheke vor Ort sind zukünftig nicht mehr nur in besonderen Fällen, sondern jederzeit möglich. Medikamente, die Privatpatienten verschrieben bekommen, dürfen zukünftig gegen preiswertere, wirktstoffgleiche Arzneimittel ausgetauscht werden. Zudem wird ab 2020 auf bestimmte Arzneimittel der Notdienstzuschlag erhöht. „Das ist ein wichtiger Meilenstein. Mit Inkrafttreten des ersten Teils des Apotheken-Stärkungsgesetzs setzt die Politik ein eindeutiges Zeichen: Sie will Vor-Ort-Apotheken in Deutschland unterstützen. Doch jetzt geht es darum, zeitnah den zweiten, noch nicht verabschiedeten Teil der Apothekenreform – das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz – umzusetzen“, so Herr Arnold. „Denn darin geht es unter anderem darum, die Gleichpreisigkeit bei rezeptpflichtigen Medikamenten wiederherzustellen.“
Pharmzeutische Dienstleistung wichtig für die Zukunft
Teil der aktuellen Reformdiskussionen ist auch die Einführung neuer pharmazeutischer Dienstleistungen durch Apotheken, die der ABDA unterstützt. „Pharmazeutische Dienstleistungen bieten die Chance, die Arzneimitteltherapiesicherheit von Patienten und die Gesundheitsversorgung insgesamt zu verbessern. Beispielsweise können chronisch kranke Menschen, die dauerhaft mehrere Medikamente einnehmen müssen und damit oft überfordert sind, dann enger durch ihre Stammapotheke betreut werden. Zudem sollen Grippeimpfungen in Apotheken möglich werden“, ergänzt der Vizepräsident der ABDA. Zu den bereits konkret geplanten vergüteten Dienstleistungen zählen der bundeseinheitliche Medikationsplan und die Medikationsanalyse. Diese hilft, die Arzneimitteleinnahme von Patienten strukturiert zu bewerten, Probleme dabei zu erkennen und zu lösen.
„Diese Dienstleistungen bedeuten eine fachliche Aufwertung der Pharmazie im Gesundheitswesen und können die Arbeit in der Apotheke für junge Pharmazeuten attraktiver und abwechslungsreicher machen. Entscheidend ist aber, dass das dazu notwendige Gesetz auch 2020 umgesetzt wird – und die Kassen das dafür vorgesehene finanzielle Volumen auch bereitsstellen.“
Kurzportrait Mathias Arnold
Mathias Arnold absolvierte von 1982 bis 1987 ein Pharmaziestudium in Halle/Saale. Seit 1992 ist er Inhaber der Lilien-Apotheke, Halle. Zusätzlich engagiert er sich seit 1999 politisch für die Belange von Apothekern. Er startete als Mitglied des Vorstands des Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt e.V. und wurde 2005 Vorsitzender. Seit 2013 ist er Vizepräsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.
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